Frauen in
Indien (dieser
Artikel ist von dem Homepage der destination-asien.de/indien/
Dieser Artikel steht im Internet leider
nicht mehr zur Verfügung. Nichtsdestotrotz wurde er sehr gut und
interessant geschrieben und deshalb halte ich es für sinnvoll, ihn hier ohne
Veränderungen auf zu nehmen.)
Genauso vielschichtig wie die Realität
in allen indischen Lebensbereichen ist auch die Situation der indischen Frau,
'die von selbstverständlicher Autorität zu totaler Unterwürfigkeit, von
höchstem Selbstbewußtsein zu trauriger Selbstverleugnung, von der
verfassungsmäßigen Garantie absoluter Gleichberechtigung zu einer Realität
reichen, in der ein ständiger Kampf um die verfassungsmäßigen Rechte geführt
werden muß.' (Zitat von Rami Chhabra).
In der vorvedischen Zeit galt in Indien das matriarchalische Machtsystem der
Drawiden, eine Verehrung der weiblichen Gottheit und damit ein hohes Ansehen
der Frau. Die patriarchalischen Arier verdrängten und unterdrückten diese
Kultur, ohne sie jedoch vollständig ausrotten zu können. In den 'restricted
areas' des Nordostens gilt teilweise noch matriarchalisches Recht; z.B.
bekommen die Kinder den Namen der Mutter.
Die Auswirkungen des
Patriarchats findet man bis auf wenige Ausnahmen in ganz Indien. Seine
Vertreter haben sich wie im Islam und Christentum auch die Religion zur
Unterdrückung der Frau handhabbar gemacht. Im hinduistischen Gesetzbuch Manus
steht, daß die Frau ihr Leben lang einem Mann untertan zu sein hat, zuerst
ihrem Vater, später ihrem Ehemann und dann ihrem Sohn. Durch das geltende
Mitgiftsystem ist eine Tochter eine große finanzielle Last. Die Familie
verschuldet sich oft hoffnungslos, um sie unter die Haube zu bekommen, und
private Geldverleiher machen mit Wahnsinnszinsen ein gutes Geschäft dabei. Für
manche Familien bedeutet eine Tochter in erster Linie Unglück, sie kostet Geld,
arbeitet nach der Heirat in der Familie ihres Ehemannes, und falls die Ehe
schiefläuft, kann sie auch nicht mehr zu ihrer Familie zurück, weil diese dann
einen Esser mehr hat und die Nachbarn einen 'schief anschauen'. Der Sohn
hingegen bringt durch die Heirat eine Arbeitskraft inklusive Mitgift ins Haus.
Geht die Ehe total daneben oder kann die versprochene Mitgift nicht ganz
eingelöst werden, liegt die 'Lösung' im Selbstmord der Frau, bei dem auch
manchmal von den Schwiegereltern nachgeholfen wird. In einem Jahr gab es allein
in Delhi 350 Todesfälle, bei denen junge Frauen zu Hause verbrannten.
Auch wird das bereits
seit Anfang des 19.Jh. verbotene Sati noch praktiziert: Die Witwe folgt dem
verstorbenen Ehemann in den Tod, meist durch Verbrennen und nicht ganz
freiwillig.
Die indische Frauenbewegung - ja, es gibt sie - wendet sich in erster Linie
gegen die o.a. Mitgiftwirtschaft. Die Frauen sind die am schlechtesten ernährten
Menschen in Indien; zuerst bekommt das Familienoberhaupt serviert, dann die
Kinder, und die Frau bekommt, was übrigbleibt. Frauen sterben früher als
Männer, sie sind durch ihre schwere körperliche Arbeit von 14 bis 16 Stunden
täglich und viele Schwangerschaften früh verbraucht. Ihr Stand in der
eingeheirateten Familie ist natürlich von der Zahl der geborenen Söhne
abhängig.
Statistiken einer Abtreibungsklinik
in Bombay haben alarmierende Zahlen offenbart: Von 8000 abgetriebenen Föten
waren 7999 weiblich. Durch Fruchtwasseranalysen kann nämlich das Geschlecht des
Kindes festgestellt werden. Die indischen Frauengruppen kämpfen gegen diese
Entwicklung, da sie eine Frauendiskrimierung mit modernsten Mitteln darstellt.
Die Frauenbewegung hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Zuständen ein Ende zu
machen, ebenso wollen sie gleiche Lohnzahlung für Männer und Frauen und
Ausbildungsplätze an Unis erreichen, Technikerschulen etc. sollen
bereitgestellt werden. Alljährlich finden Frauenkonferenzen zu diesen Themen
statt.
Nach dem Gesetz sind Frau
und Mann auch in Indien völlig gleichgestellt. Sie haben das Recht auf gleiche Ausbildung
und gleichen Lohn. Durch spezielle Gesetze wie Abschaffung des Mitgiftzwangs
(1961), bezahlten Mutterschaftsurlaub, Abschaffung der Kinderehen und
Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches (1971) wurde versucht, die
Situation zu verbessern. Diese Gesetze in die alltägliche Praxis umzusetzen,
ist jedoch nur durch einen Bewußtseinswandel in der Öffentlichkeit und durch
ein entschlossenes Eintreten der Frauenbewegung möglich.
Mahatma Gandhi hatte sich stark für die Befreiung der Frau
eingesetzt. Er sah Mann und Frau gleichgestellt und begabt mit gleichen
geistigen Fähigkeiten. Er lehnte die patriarchalische Vorherrschaft strikt ab.
Er sah auch, daß die 2000jährige Unterdrückung der Frauen Spuren hinterlassen
hat, von denen sie sich erst erholen müssen und die auch bei ihnen einen
Bewußtseinswandel nötig werden lassen. Damit knüpfte er an eine historische
Tradition an, die in Indien auch erklärt, warum z.B. eine Frau wie Indira
Gandhi als Premierministerin akzeptiert wurde. Daneben sind Frauen in vielen
qualifizierten Stellen als Ministerinnen, Richterinnen, Ärztinnen (40.000),
Lehrerinnen (600.000), gut ausgebildete Wissenschaftlerinnen (15.000) etc.
vertreten. Zwischen diesen beiden Extrempositionen der verantwortungsvollen,
autonomen Frau in hochqualifizierter Stellung und der Tochter, die für die
Familie eine finanzielle Last darstellt, gibt es Frauenschicksale in allen
Schattierungen. Sprecht mit euren indischen Schwestern, es gibt noch viel von
ihnen zu lernen. Ihr werdet erstaunt sein. Nur so könnt ihr herausfinden, was
es bedeutet, eine Frau in Indien zu sein.